Am 15. und 16. August 2017 trafen sich in Chemnitz alle
Partner des Projektes TOpWind zur Auftaktveranstaltung am Fraunhofer-Institut
für Elektronische Nanosysteme ENAS, dem Konsortialführer des Projektes. TOpWind
steht für die technologische und ökonomische Betrachtung der Anwendung aktiver
Strömungskontrolle zur Optimierung der Winderntefähigkeit von
Windenergieanlagen.
© Foto Fraunhofer ENAS
Entwicklungsprozess im BMWi-Projekt TOpWind.
Sowohl Onshore als auch Offshore nimmt die Größe von
Windenergieanlagen (WEA) und damit verbunden auch der Rotordurchmesser
beständig zu. Rotordurchmesser von über 120 Metern Onshore und über 160 Metern
Offshore stellen aerodynamisch und damit einhergehend aeroakustisch eine große
Herausforderung dar. Aufgrund der Windscherung in der Atmosphäre und
Turbulenzen sind die Blätter der Anlagen ständig wechselnden Bedingungen und
Lasten ausgesetzt. Die bisherige Methode, die Lasten mittels der
Einzelblattregelung (Individual Pitch Control) auszugleichen, ist für solche
großen Rotordurchmesser bei gleichzeitig leichterer Bauweise der Blätter nicht
mehr ausreichend. Intelligente, lokal eingebrachte Elemente, die auf
Veränderungen der Strömung reagieren können, bieten eine Möglichkeit zur Lösung
dieses Problems und würden zudem den Einsatz leichterer und längerer Blätter
ermöglichen. Hierbei stellt die aktive Strömungskontrolle eine sehr
vielversprechende Technologie dar, um die aerodynamischen und aeroakustischen
Bedingungen, die an zukünftige Blätter gestellt werden, zu erfüllen.
Aktive Strömungskontrolle (engl. Active Flow Control – AFC)
spielt bereits heute in der Erforschung und Entwicklung von energieeffizienten
Systemen eine wichtige Rolle. Insbesondere im Bereich der Luftfahrt aber auch
im Straßentransport und der Windkraft haben in den letzten Jahren die
Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten bezüglich AFC große Fortschritte
erzielt. Dabei wurden verschiedene aktorische Konzepte entwickelt und deren
Wirkung auf die Erhöhung des Auftriebs, die Reduktion von Widerständen oder die
Verringerung von Lärmabstrahlungen untersucht. In den letzten Jahren wurden
auch zunehmend fluidische Aktoren (Aktoren zum Ausblasen oder Absaugen von
Strömungen) als mögliche Aktorkonzepte in Forschungstätigkeiten einbezogen. Die
Anwendung dieser Aktoren fand bislang jedoch hauptsächlich im Luftfahrtbereich
statt. Es gibt aber grundlegende Untersuchungen, die nahelegen, dass ihre
Anwendung im Bereich Windenergieanlagen weitreichende Wirkungen auf diese Systeme
herbeiführen kann. So lassen sich mit Erhöhung der Rotoreffizienz die
Winderntefähigkeit verbessern und damit die mögliche Energieausbeute
verbessern. Auch kann durch eine Reduktion der wechselnden aerodynamischen
Lasten eine Lärmreduktion erzeugt werden, welche die gesellschaftliche
Akzeptanz von WEA erhöhen würde.
Um dieses Ziel zu erreichen, sind effiziente, robuste und
auf das System Windenergieanlage angepasste Aktoren und Systeme notwendig, die
diese Effekte sicher und effizient realisieren. Derartig leistungsfähige
Aktoren sind jedoch derzeit nicht verfügbar bzw. bisher noch nicht an
Windenergiesystemen untersucht und getestet worden. Das vom Bundeministerium
für Wirtschaft und Energie (BMWi) mit fast vier Millionen Euro geförderte
Forschungsvorhaben TOpWind adressiert diese wissenschaftliche und
technologische Lücke: Die Entwicklung und Untersuchung von strukturintegrierten
AFC-Aktoren und -Systemen zur Optimierung und Verbesserung von Windkraftanlagen
bzw. Windenergiesystemen. Dadurch werden nicht nur technologisch vollkommen
neue Ansätze erforscht, sondern auch ökonomische und ökologische Verbesserungen
bei der Herstellung und im Betrieb von WEA betrachtet. Darüber hinaus wird auch
die Grundlage für neue und innovative Rotor-Geometrien geschaffen. Wichtige
Bestandteile dieser Entwicklungen sind sowohl neuartige aktorische Konzepte als
auch innovative Strategien zur Integration der Aktoren sowie zusätzliche
Komponenten wie Elektronik und Sensorik. Basierend auf diesen Zielstellungen
werden im Verbundvorhaben folgende Forschungsschwerpunkte adressiert:
- Entwicklung von Technologien zur Optimierung der
Blattströmung von Windenergie-anlagen basierend auf der aktiven
Strömungskontrolle mit fluidischen Aktoren;
- Numerische und experimentelle Analyse der Technologien
und Optimierungshypo-thesen;
- Konzepte und Technologien zur Integration der
fluidischen Aktorik in die faserverstärkte Rotorblattstruktur;
- Entwicklung eines Bewertungs- und
Steuerungskonzepts zur (lebenszyklusorientierten) ökonomischen Beurteilung der
Nutzung aktiver Strömungskontrolle.
Diese Entwicklungsaspekte sind im Entwicklungsablauf eng
miteinander verzahnt, wie in der Abbildung „Entwicklungsprozess im BMWi-Projekt TOpWind“ zu erkennen ist.
Zur Erreichung dieser Ziele hat sich ein Konsortium aus 8
Partnern zusammengefunden, um während der dreijährigen Laufzeit von August 2017
bis Juli 2020 und darüber hinaus in enger Kooperation zusammenzuarbeiten. Auf
Seiten der Forschungseinrichtungen sind vier Institute der
Fraunhofer-Gesellschaft (Fraunhofer
ENAS, Fraunhofer IWES, Fraunhofer IWU, Fraunhofer LBF), das deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrttechnik
(DLR)
sowie zwei Professuren der TU
Chemnitz
beteiligt. Aus der Privatwirtschaft engagieren sich zwei
Großunternehmen (Siemens
Wind Power GmbH & Co. KG, Altran
Deutschland S.A.S. & Co. KG) sowie drei mittelständige Unternehmen (IBK-Innovation GmbH & Co. KG, INVENT GmbH
und ts3 the smart system solution GmbH) am
Forschungsprojekt.
The smart system solution GmbH wird seine Kenntnisse im
Bereich der Entwicklung von robuster, hochverfügbarer und verteilter elektronischer
Systeme in das Projekt einbringen. Aufgabenschwerpunkt wird die
Zusammenstellung der Anforderungen, die anschließende Entwicklung und teilweise
Validierung der für den Betrieb der fluidischen Aktoren erforderlichen
elektronischen System-Regelung sein. Neben der Leistung eines gesellschaftlich relevanten
Beitrags zum Ausbau einer emissionsfreien Stromerzeugung durch Optimierung der
Winderntefähigkeit von Windenergieanlagen mittels innovativer
Strömungskontrollkonzepte, ist auch der Ausbau der Kompetenz zur Entwicklung
elektronischer Systeme zur Verwendung in Windenergieanlagen im Allgemeinen ein
Ziel des Unternehmens für die Projektteilnahme.
Das Teilprojekt von the smart system solution GmbH wird von Herrn
Marcus C. Wiedemann (mwiedemann@ts3gmbh.de)
geleitet. Die Gesamtprojekt-Koordination gewährleistet Herr Martin Schüller (Martin.Schueller@enas.fraunhofer.de)
vom Fraunhofer Institut ENAS.